12 von 12 Juli 2025

Titelgrafik „12 von 12 – Juli 2025“. Zarte Aquarelltöne in Türkis, Rosa und Himmelblau, verstreute goldene Sprenkel – darüber in Serifenschrift: „12 von 12 – Juli 2025 – 12 Glimmermomente“.

Zwölf Glimmer. Kein Filter.

Ich habe beschlossen, heute nicht nur Bilder zu sammeln sondern Glimmer.
Diese kleinen, stillen Momente, die nicht „besonders“ sind, aber etwas in mir zum Leuchten bringen.

Zwölf Miniaturen.
Drei Haikus als Haltepunkte.
Und ein Tag, der nicht dokumentiert wird, sondern gespürt

1. Weitwinkelwachen

Weißer Raum, Blickvom Bett auf Sideboard eine Tasse – der Tag wartet, nicht drängend.
Der Tag beginnt ohne Drängen. Weiß, weit, wach.

Ich liege noch.
Der Tag steht schon, leise, auf dunklem Boden.
Die Tasse dort drüben wirkt entschlossener als ich.
Kein Wecker, kein Klick, kein Müssen.
Nur: diese weiße Weite.
Und der Gedanke, dass ich auch heute nicht sofort aufspringen muss, um da zu sein.

Weiße Fläche ruht,
der Kaffee hält sich bereit.
Mein Nein klingt nach Ja.

2. Der Namens-Turm

Manuskriptstapel mit mehreren gelben Haftnotizen, handschriftlich beschriftet. Darunter liegt ein Buch mit dem Titel „In Praise of Shadows“. Die Notizen wirken wie lose Gedankenbausteine – ein Turm aus Worten und Bedeutungen.
Worte auf Wanderschaft – die Baustelle der Bedeutung

Ich diktiere mich selbst und werde dreimal wer.
Dharma, Dogma, Dakmar. Die App versteht, was ich nie gesagt habe. Und vielleicht hat sie recht.

Sie hört zu, lacht nicht.
Wir bauen einen Spörterturm aus Lauten.
Der Name kippt, wächst, wird Turm.

3. Das dunkle Meer

Teichspiegelung mit Himmel und Halmen – flirrende Tiefe, das Außen wird Innen.
Spiegelung und Tiefe. Das Außen wird Innen.

Ich taste nach Worten und finde Wasser.
Dakmar wird Darkmar. Ein dunkles Meer, entstanden aus einem Verhörer.

Ich sehe den Teich.
Spiegelnd, schwebend, still.
Das Haus darin. Die Wolken.
Grün, das zittert wie Gedanken.

Ein leiser Saum im Sprachgedächtnis.
Tiefe, die nichts will nur da ist.
Ich bleibe dort.
Nicht heute. Aber bald.

4. Glimmer statt Trigger

Screenshot eines Zitats über Glimmer – Worte leuchten auf, ein Konzept wird fühlbar.
Ein Screenshot, ein Schimmer – Glimmer.

Ich wollte aufstehen.
Bin stattdessen geblieben.
Ein Beitrag, gelb unterlegt, blieb an meiner Müdigkeit hängen.
Kein Push. Kein Reiz. Ein Glimmer.

So klein und doch das erste Licht von innen.

5. Monk-Moment

Eine durchsichtige Shampooflasche ohne Etikett steht allein im Badregal – stille Rebellion gegen visuelle Vereinnahmung.
Werbung abgezogen. Wahrheit bleibt schäumend stehen.

Ich dusche mit dem Rücken zum Etikett. Besser noch: Ich reiße es vorher ab.

Die Flasche darf bleiben.
Aber nicht mit diesem Blick.
Nicht mit diesem Ton.

Waschechte Werbung hat im Wasser nichts verloren.
Ich lasse sie weichen und atme freier.

Mein Mann schüttelt aus der Ferne den Kopf.
Mephisto murmelt: „Du putzt dir die Welt zurecht. Leider mit Shampoo für 3,49.“

6. Drei Scheiben Glück

Frühstücksteller mit Avocado-Brot, Gelee, Kaffee, Beeren – ein stilles Fest in Türkis und Holz.
Frühstücks: Mein stilles Fest in Türkis und Holz.

Ich öffne das Tiefkühlfach wie eine Schatztruhe.
Drei Scheiben – klein, dicht, duftversprechend.
Vom Lieblingsbrot, das eigentlich auf weiße Tischdecken gehört, nicht in meinen Alltag.

Jetzt liegt es auf dem Teller.
Getoastet, getoppt, geadelt.
Avocado, Parmesan, Gelee.
Dazwischen: Butter, viel.

Daneben: Kaffee in vertrauter Tasse.
Notizbuch, offen wie der Morgen.
Früchte, farbig.
Wasser, bereit.

Ich frühstücke wie jemand, der sich erinnert, dass Genuss so einfach ist.

Getoastete Zeit.
Gelee glänzt. Butter schmilzt still.
Ein Tag, der beginnt.

7. Bobby James

Blühende weiße Rose vor Bergkulisse – ein Sommerbalkon, der leise Gedichte denkt.
Blühendes Dazwischen. Duft und Blick.

Sie blüht wie immer: übermütig, duftend, dominant.

Ich kann sie setzen, schneiden, stützen. Aber nicht retten.
Nicht vor Pilzen, nicht vor Wetter,
nicht vor dem, was sie nicht interessiert.

Und dennoch sie blüht.
Wie jeden Juli.
Nicht für mich.
Einfach so.

Ich denke an Epiktet.
Und gieße trotzdem.

Mephisto raunt: „Du weißt schon, dass der alte Grieche nie gegossen hätte. Der hätte die Rose verdursten lassen – als Lektion.“

8. Spüle, Asche, Blog

Eine blaue Schale mit Räucherresten in der Spüle – dazwischen ein grüner Lappen, wie ein Wächter.
Was bleibt, wenn das Räuchern verstummt.

Ich habe geräuchert.
Gestern Abend, spät.
Nicht viel, aber genug, um heute noch die Reste zu sehen.

In der Waschküche, zwischen Lappen und Maschine,
steht eine kleine blaue Schale.
Sie trägt das, was bleibt, wenn nichts mehr duftet, nur noch erinnert.

Ich denke an den Text, den ich über den Raum geschrieben habe. Vielleicht fügt sich dieser Glimmer dort ein – nicht als Wiederholung, sondern als Echo.

9. Mini-Agaven

Kleine Agaven treiben in dunkler Erde – Leben, das nicht gefragt hat, ob es zu spät ist.
Vergessen und dennoch entschlossen.

Sie lagen im Rucksack, still, staubig, fast vergessen. Mitgebracht aus La Réunion. Ein Versprechen – fast übersehen.

Ich wollte sie retten, aber sie hatten längst beschlossen, dass Leben weitergeht.

Wasser. Licht.
Mehr braucht es nicht.
Nur nicht zu spät.

Jetzt treiben sie.
Mit Kraft, die nicht fragt.
Nicht nach Ort, nicht nach Zeit.
Ich sehe ihnen beim Wachsen zu und denke: Manche Pflanzen schreiben sich ohne R – aber mit Rückgrat.

10. Glimmertabs

Gläser, Flaschen, Deckel, Quitten, Rumtopf – ein Arbeitsmoment zwischen Auflösen und Abfüllen.
Was bleibt, wenn alles Alte gegangen ist.

Der Rumtopf ist halb leer. Die Quitten schwimmen im Glas, bereit für den nächsten Zustand.
Marmeladen sind gegangen, zu alt, zu süß, zu viel.

Ich fülle ab.
Was bleibt, ist das Konzentrat.
Wortwörtlich.

Quittengeist in kleinen Flaschen.
Rumtopf in neuer Ordnung.
Sie haben Zeit gebraucht, jetzt dürfen sie wirken.

Dazwischen: eine Diskussion mit Vanessa, der Lektorin.
Sie sagt „verdichten“ und meint: aufblasen.
Ich sage „verdichten“ und meine: etwas bleibt und alles andere fällt weg.

Wie beim Einkochen.
Wie beim Schreiben.
Wie bei Glimmermomenten, die nicht verschwinden, sondern reifen.

11. Die Glimmatis

Eine violette Clematisblüte, versteckt im grünen Dickicht – ein Glimmer für Geduldige.
Die, die sich nicht vordrängt – und dennoch da ist.

Man muss sich hineintasten, fast wie in ein Geheimnis.
Zwischen den üppigen Ranken der Ghislaine de Féligonde
versteckt sich eine andere Blüte, unscheinbarer, stiller, aber nicht weniger kraftvoll.

Die Clematis in ihrem violetten Kleid ist keine, die sich vordrängt.
Sie wartet.
Bis jemand nahe genug tritt.
Bis jemand durch das grün-goldene Durcheinander blickt und sie sieht.

Ein Glimmer für die, die genauer hinsehen.

12. Glimmer im Schiefer

Gedeckter Tisch, leere Gläser, ein Hauch von Heimkehr – der Abend legt sich auf das Holz.
Ein Raum teilt sich. Heimkehr, still serviert.

Er kommt heim.
Ein kleiner Sturm, eine Frequenz, die den Raum erfüllt.

Ich spüre ihn wie schwarzen Schiefer – dicht, warm, unregelmäßig.
Mit Glimmeradern, die funkeln wollen zeigen, was da ist.

Es ist nicht leise.
Er bringt Tiefe mit.
Und Druck.
Nicht gegen mich – aber auf uns.

Manchmal möchte ich ihn glätten.
Oder formen.
Oder umlagern.

Aber er ist Gestein.
Ich kann ihn nicht ändern.
Nur erkennen, was in ihm glänzt.

Schiefer glimmt im Licht,
seine Kanten sind von mir
und ich lehn mich an.

Was bleibt:
Nicht zwölf Bilder.
Nicht zwölf Texte.
Sondern ein Dazwischen.
Ein Glimmerfeld.
Ein leiser Takt, der durch den Tag ging und nicht lauter wurde, aber deutlicher.

Ich glaube, ich habe diese neue freie Form heute wirklich genossen.
Ein echter Glimmermoment.

Dagmar im Profil, entspannt sitzend im Freien – ein nachdenklicher Blick, als würde sie gerade einem Satz beim Wachsen zusehen.

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