Pilzblick mit Pfifferlingen und Steinpilzen

Vom Sammeln, Sitzen, Einlegen
Für Eilige und alle, die keine Prosa mögen: hier geht es direkt zu den Rezepten ohne Wald, Hanglage und Hosenboden:
Alle anderen dürfen gerne noch ein Stück mit den den Wald kommen.
Diese Pfifferlinge sind eine Zwischenwelt. Kaum zwei Meter vom breiten Wanderpfad entfernt, ein Miniwald aus jungen Fichten, dicht, feucht, steil. Ich schleiche hinein. Und dann stehe ich da, die Füße wie Anker, das Denken im Moos.
Pilzesammeln braucht mehr als Augen. Es braucht ein Gespür, das knackt wie ein Zweig.
Jeder Schritt ein Abwägen.
Jede Bewegung fast wie Meditation.
Nicht spirituell – eher praktisch: Wer nicht im Moment ist, übersieht diese kleinen orangen Tupfer.
Ich hatte ein Gefühl, bin wie ein Hund durchs Dickicht, habe visuelle Witterung aufgenommen. Und dann saß ich da, auf dem Hosenboden, zwischen den kleinen Fichten, die pieksten mit ihren Nadeln.
Akupunktur – überall. Und griff hinein: Ein Kilo, schätze ich.
Normalerweise ist mein Mann der große Pilzheld. Gutes Auge, feines Gespür und sehr ausdauernd. Aber diesmal, glaube ich, bin ich vorne.
Wobei ich langsam mal zu ihm aufschließen sollte. Nicht, dass er mich klammheimlich überholt. Packt ihn ja manchmal, der sportliche Ehrgeiz. Er hatte schon gesammelt. Weiter oben im Berg. Steinpilze. Zwei Kilo.
Wettbewerb? Unentschieden.
Ein Kilo Pfifferlinge, zwei Kilo Steinpilze und eine Küche voller Pilzduft.
Und irgendwann die Frage: Was tun mit dem Überfluss?
Steinpilze mariniert
Sorgfältig putzen, dünn schneiden. Das dauert.
Sud aus Apfelessig, Weißwein, Pfeffer, Lorbeer. Knoblauch, Chili, Rosmarin.
Aufkochen, dann die Pilze hinein.
Kurz ziehen lassen nicht reden, nur rühren.
Abgießen, ausbreiten, abkühlen lassen und dabei die Finger nicht verbrennen.
In Schichten einlegen:
Pilze – Gewürze – Pilz – Gewürze.
Mit gutem Olivenöl auffüllen. Vorsichtig schütteln, damit die Luftbläschen rauskönnen.
Dunkel ziehen lassen und sich im Winter daran erinnern.

Pfifferlinge: frisch serviert
Zwiebel und Knoblauch in Butter leicht braun garen – Farbe wie Karamell.
Pfifferlinge dazu, geputzt, ohne Wasser.
Braten, bis die Feuchtigkeit verdampft.
Die Pfifferlinge rösten. Und in der Küche riecht es pfeffrig.
Etwas Thymian.
Keine Sahneflut. Kein Käse. Keine Show.
Nur das, was der Wald hergibt.
Dazu: Bauernbrot, schlicht.
Und Ruhe beim Kauen.
Was bleibt?
Zwei Beutel Pilze.
Ein Hintern voller Nadeln.
Feuchte Hosen.
Ein fast verlorenes Handy.
Ein sportlicher Zwischenstand.
Und der Verdacht, dass Sammeln immer auch Lauschen ist.
Und Hanglage.
Dr. Klang murmelt aus dem Vorratsschrank:
„Steinpilz klingt nach Satzende.
Pfifferling nach Zwischenruf.
Beide in Öl – fast schon Literatur.“

Ich bin Dagmar – Rezepterfinderin und Autorin mit einer Vorliebe für ehrliches Essen und gute Geschichten.
Auf Rezerette sammle ich seit 2017 Geschmackserinnerungen, Alltagsküche und Ideen zum Nachkochen.
Alles hier ist frei zugänglich – aus dem echten Leben, nicht aus dem Lehrbuch.
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